Unbeeindruckt von meinem Bemühen
Schnur auf die Rolle zu bekommen, setzt sich mein
Köder mit etwas Schwerem daran in Bewegung. Alles
passiert gaanz langsam und unter mächtiger Zugkraft.
Die Unterwasserfahrt verläuft auf Parallelkurs
zum Boot. Nicht einen Zentimeter Schnur bekomme ich
auf die Rolle. Die Rute gleicht einem Flitzbogen und
der Fisch, falls es kein verlorenes Torpedo ist, hält
geradewegs auf das Ankerseil zu. Ich zerre am Geschirr,
als hinge mein Leben davon ab. Meine Hoffnung hängen
am sprichwörtlichen Biegen und Brechen: Bricht
nichts, kann ich den Fisch vielleicht am Ankertau
landen ... Der Fisch kommt nach einer Ewigkeit zum
Stehen. Die Angelrute entspannt sich in Zeitlupe,
als mein Unbekannter seine Fahrtrichtung ändert.
Es bleibt gerade Zeit mit einem Griff der Rollenbremse
einen kleinen Spielraum zu verschaffen. Ich pumpe,
was das Zeug hergibt. Allmählich treibt der Fisch
auf, statt eine kraftvollen Flucht hinzulegen. Als
erstes ist ein bemooster Rücken an der Wasseroberfläche
zu sehen. Dem folgt ein überbreites Maul und
schließlich durchbricht eine Walfluke den Wasserspiegel.
Der Hecht verharrt erschöpft vor dem Boot. Nur
die Brustflossen spielen. Jetzt geht eine wellenförmige
Bewegung durch den Schwanz und ich bin jeden Moment
auf eine Explosion gefasst. Zu spät. Die Keschermaschen
umschließen den feisten Fischkörper und
der fällt auf die Seite. Ist mir heiß!
Und was für ein Fotolicht! Zum Messen ist allerdings
ein Mann zu viel auf dem Boot, denn um die ganze Pracht
der 113 cm Fischlänge auskosten zu können,
fehlt der Platz. Egal, es gibt ja die Fotos. Viel
schlimmer ist, dass ich nun nicht mehr weiß,
was ich mir jetzt noch für das neue Angeljahr
wünschen soll.
Diese Frage bleibt offen, denn nach dem nächsten
Platzwechsel bringe ich Fisch Nummer 8 ins Boot. Rolf
erhöht auf 9. Wolfgang hat nur einen Biss. Und
dann stellen die Fische die Mitarbeit ein, als hätte
es hier nie welche gegeben.
Die ersten Gänseflüge kehren von den angrenzenden
Feldern auf ihre Schlafplätze in der Bucht zurück.
Die Sonne steht tief in sattem Gelb-Orange. Hiddensee
tritt in der klaren Luft plastisch hervor, als wäre
die Insel zum Greifen nahe. Auch uns ergreift die
Feierabendstimmung. Allerdings wehren wir uns gegen
ein einstelliges Fangergebnis.
Weil aber bekanntlich die Tüchtigen belohnt werden,
rettet sich quasi in letzter Minute, der Vierte im
Bunde, Ulli, vor dem Angelschneider und rundet den
erfolgreichen Tag ab.
Ein opulenter Sonnenuntergang aus dem Tuschkasten
setzt das berühmte Tüpfelchen auf das „i“.
Der Horizont scheint zu brennen. Was für ein
heißer Sylvestertag.
G.K.
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