Regen prasselt gegen die Windschutzscheiben der Fahrzeuge.
Die Wagen schlingern, rutschen und hüpfen über
den aufgeweichten Weg, als wäre der zur Abschreckung
mit Schmierseife präpariert. Jedes Auto entwickelt
sein Eigenleben und jede hektische Lenkbewegung oder
ein nervöser Fuß auf dem Gaspedal bergen
die Gefahr, den Angler samt seinem Equipment aus der
Bahn werfen.
Im Innern scheppern Blechtöpfe, es klappern Flaschenbatterien
und der Inhalt schwankt wie auf hoher See. Noch zwei
Schläge in die Stoßdämpfer, dann ist
die Rohrüberfahrt zum Biotop überwunden
und die Ladung hat sich platzsparend gelegt. Danach
erlaubt ein griffigerer Weg einen Blick auf die "Kiesi".
Der Wind treibt Wellen aus warmem Oberflächenwasser
zum Südufer.
Die Wagenkolonne passiert auch die auf Geländewagentiefe
gespurte Piste auf der Partywiese und erreicht den
Angelplatz unbeschadet. Nur an einigen Stoßfängern
hängen Reste geglätteter Unwegsamkeiten
und manche Anhängersteckdose hat ihre Bodenfreiheit
vergrößert. Eine schlammige Goldauflage
verziert Kotflügel und Scheinwerfer.
Es hat aufgehört zu regnen. Dem Wetterbericht
nach allerdings nur vorübergehend. Der Lehmboden
würstelt am Angelplatz zwischen den nackten Zehen
hindurch. Zum Glück ist es warm. Es bedarf nur
weniger Worte, bis jedes Fahrzeug seinen Platz gefunden
hat. Braune, rote- und Rücken, auf denen die
Haut vom letzten Sonnenbrand noch in Fetzen hängt,
krümmen sich im Takt der Arbeit: Rutenfutterale,
Anglerstühle und -schirme, diverse Eimer, Holz,
ein Grill, feuerschwarz lackierte Töpfe, Trinkwasserbehälter
und Kisten mit Proviant verwandeln den trostlosen
Platz in gemütliches Anglercamp. Wortfetzen über
Wetter, Karpfen und Weicheier vermischen sich in der
Schwüle mit freudigem Gelächter. Schließlich
verlagern sich die Inhalte der Rutenfutterale an die
Wasserlinie. Zuerst staken steifbeinige Rodpods ins
Wasser. Aber auch schnöde Rutenhalter drängt
es dort hin. Sukzessive bauen Angelruten das Ufer
zur Igelstellung aus. Während die ersten Montagen
bereits per Boot in den See gefahren werden, suchen
die letzten noch den Halt an der Hauptschnur.
Auf dem Ufer, einige Meter erhöht, kräuseln
aus dem Grill, geschützt von einem Angelschirm,
Rauchwolken. Leichter Nieselregen setzt ein. Nach
und nach finden sich die Angler im Halbkreis der Stühle
und der Schirme ein. Die Bissanzeiger haben die Tonleiter
die Chorübung zur Tonleiter absolviert und warten
auf ihre Partitur. Über dem Kiessee liegt eine
erwartungsvolle Stille. Kronkorken ploppen. Dazwischen
plätschern Wellen. Die Autobahn imitiert entfernte
Brandung.
Der Grillrauch hat Feuer Platz gemacht und im Kochtopf
wackeln Kartoffeln im kochenden Wasser. Ein Bissanzeiger
piept ein, zwei Mal unmotiviert, als müsste er
erst noch den Ton finden. Eine Amsel schimpft, als
ein Störenfried zu den Angeln hastet, die Uferböschung
hinab zu steigen versucht und ruckartig mit einem
Klatschen von der Bildfläche verschwindet. Den
Lachern auf dem Ufer folgt ein Fluch vom Wasser und
die Auskunft, dass es an der Maisrute gebissen hat.
Eine erhobene Rute krümmt sich. Der Wind singt
in der gespannten Schnur. Schließlich schneidet
eine spitze Rückenflosse das Wasser, bevor der
Fisch im Flachwasser auf die Seite fällt.
Ein "Plattfisch", vermeldet der Angler
nach seiner Rückkehr. Doch das Geschehen im Trockenen
konzentriert sich auf Pellkartoffeln mit Dipp.
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