Der
Angelfrust aus dem Sommerurlaub sitzt noch tief -
von wegen, angeln wie Gott in Frankreich. In der Bretagne
kann er nicht gewesen sein, jedenfalls nicht zu unserer
Urlaubszeit.
Der schon länger beschlossene Kauf zweier Grundruten
und dazugehöriger Rollen hilft über das
Schlimmste hinweg, am meisten aber die Vorfreude das
neue Spielzeug einzuweihen. Da trifft es sich hervorragend,
dass ich bis zum Sonntag Strohwitwer bin. Die Vorstellung
an ein freitägliches Nachtleben am Wasser mit
nachfolgenden Entspannungsübungen am Samstag
motivieren mich auf Arbeit. Und das alles am voraussichtlich
letzten hochsommerlichen Wochenende. Doch meine Hochstimmung
sinkt beängstigend tief, denn statt Freitag nach
um Eins ... stehe ich erst zum Sonnenuntergang mit
knurrendem Magen vor der Haustür. Letzteres wäre
auszuhalten. Aber ich habe noch nicht einmal das Angelzeug
zusammengesucht, geschweige denn im Auto verstaut.
Noch schlimmer ist, dass ich von der Angelstelle,
die ich warm halten soll, bis Rolf mit seinen Angelfreunden
Samstagmittag zu mir stößt, keinen Plan
habe. Und es ist weis Gott nicht erstrebenswert im
Dunkeln das Boot aufzupumpen, um die Angelstelle zu
markern. Vor Mitternacht brauche ich wohl nicht über
Fische nachzudenken. Außerdem brauchen die Karpfen
nach dem Anfüttern auch etwas Bedenkzeit.
Verdammt, apropos Anfüttern; der Hartmais liegt
immer noch hart in der Verkaufsverpackung ... - soviel
zum Thema Nachtangeln.
Fast ausgeruht erreiche ich bei frischen Morgentemperaturen
die "Kiesi". Die Wasserfläche ist vom
Wind gekräuselt wie ein altes Waschbrett. Meine
Ankunft fällt mit dem Sonnenaufgang zusammen.
Hinter mir brummt nur die Autobahn am sonst menschenleeren
Wasser. Über der Landschaft liegt eine gespannte
Ruhe, als warte sie auf den Ansturm der Sonnen- und
Wasserhungrigen. Es kann aber auch sein, dass diese
Spannung aus meiner Unruhe, endlich das neue Gerät
im Drill zu erproben, entspringt. Vor der Drillfreude
stehen jedoch die notwendigen Arbeiten, bevor die
Ruten in den Bissanzeigern ihre Opfer anlocken können.
Danach bin ich durchgeschwitzt und reif für ein
Bier. Gerade als ich mich in Vorfreude darauf überflüssiger
Kleidungsstücke entledigen will, schrillt der
Bissanzeiger - keine Zeit für Entspannung.
Mein Anhieb sitzt und ... ich bin enttäuscht.
Der Karpfen ist wohl nur ein Kärpfling. Oder
täuscht der erste Eindruck wegen des fehlenden
Gefühls für die neue Rute? Nein, was sich
im flachen Wasser bald auf die gold-gelbe Seite legt,
kann ich getrost wieder schwimmen lassen. Aber nicht
ohne Foto. Ich bücke mich mit der Angel in der
einen Hand zum Wasser, um den Fisch mit der anderen
vorsichtig zu landen. Der Fisch ist für meine
Handarbeit dankbar, peitscht mir ein paar Wasserspritzer
ins Gesicht und verabschiedet sich in die Freiheit
- auch gut, lohnte den Aufwand ohnehin nicht.
Endlich sinke ich in den Angelstuhl und habe Zeit
für die mitgebrachte Lektüre, um die Beißpausen
zu überbrücken.
Es ist viel zu heiß! Ich brauche eine Abkühlung.
Doch sofort bereue ich den Sprung ins Wasser. Nicht
mehr als 17 Grad, signalisiert mein Temperaturfühler
und ich bin dankbar, dass ich dem Herzstillstand entgehe.
Schneller als hinein, bin ich aus der eiskalten Brühe
raus und mir kommt eine Ahnung, warum mich die Karpfen
nunmehr seit Stunden ignorieren.
Hauptsache Rolf ignoriert mich nicht, denn er ist
Inhaber des Grills, auf dem wir unsere Mittagssteaks
zubereiten wollen. Nein, unsere Abstimmung ist perfekt
und im Schatten der Weide lassen wir uns Gegrilltes
und ein Bierchen schmecken, bevor die nächste
Anstrengung droht: Der Fang von Köderfischen
für den Zanderansitz am Abend. Normalerweise
ist das Rumgeplantsche mit der Winkelpicker ein Vergnügen.
Doch wenn Klärchen den Schweiß aus den
Poren treibt, dass er sogar durch die Karpfenstühle
tropft, relativiert sich der Spaß.
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